Das Scheitern der Vertragsverhandlungen
mit der öffentlichen Delegation – eine Agonie
13.11.2020 – Vorunterzeichnung des Teilvertrages
Nach ausgiebigen dreimonatigen Verhandlungen mit der öffentlichen Verhandlungsdelegation und uns vier Schulgewerkschaften wurde eine Vereinbarung zwischen den Verhandlungspartnern erzielt, welche die Auszahlung eines „una tantum“ vorsah und schließlich in einem ersten Teilvertrag festgeschrieben wurde. Dieser Teilvertrag regelte die einmalige Zahlung eines Betrages für die Lehrpersonen und das Erziehungspersonal aller Schulstufen der Schulen staatlicher Art. Das „una tantum“ sollte für den erbrachten Mehraufwand und für die Nutzung der eigenen Computer- und Multimediamittel während des Fernunterrichts im Rahmen der Covid-19-Pandemie im Schuljahr 2019/2020 ausbezahlt werden. Ziel war es, den dafür vorgesehenen Betrag von 10 Millionen auf ein weites Spektrum von Lehrpersonen zu verteilen und einen ersten Schritt in Richtung der Verhandlungen für das Triennium 2019-2021 zu gehen. Der Teilvertrag, welcher am 13.11.2020 von allen Vertragspartnern vorsigniert wurde, beinhaltete die Kriterien für die Zuweisung dieser Einmalzahlung, welche im Januar 2021 ausbezahlt werden sollte:
- 800 Euro brutto für Lehrpersonen mit einem Jahresauftrag in Vollzeit oder Teilzeit (mehr als 75%)
- 600 Euro brutto für Lehrpersonal mit einem Teilzeitvertrag mit weniger als 75% und für jenes mit einem mindestens sechsmonatigen Dienstvertrag im Zeitraum vom 01.09.2019 und 30.04.2020
- 300 Euro brutto für Lehrpersonen mit einem befristeten Arbeitsvertrag von mindestens drei Monaten im Zeitraum zwischen 01.02.2020 und 16.06.2020
17.11.2020 und 20.11.2020 – Überprüfung der Kontrollorgane
Der Teilvertrag wurde am 17.11.20 von der Prüfstelle der Provinz und am 20.11.2020 von den Rechnungsrevisoren überprüft. Das Gutachten dieser Stellen galt nicht als negativ, sondern beinhaltete lediglich eine Anmerkung bezüglich der Auszahlung des „una tantum“ aufgrund des Nichtvorhandenseins einer Leistungsmessung und die Bewertung von Seiten der Schulführungskraft:
„… esprime parere favorevole sulla proposta di delibera in esame avente ad oggetto l’ipotesi di primo accordo stralcio per il rinnovo del contratto collettivo provinciale per il personale docente e 4 educativo delle scuole primarie e secondarie di primo e secondo grado della Provincia di Bolzano per il triennio 2019-2021, per quanto di propria competenza, limitatamente alla compatibilità dei costi con i vincoli di bilancio, dato che per gli altri aspetti si sono già pronunciati sia l’Organismo di valutazione sia il Direttore della Ripartizione Personale della Provincia. In relazione alle disposizioni che incidono sulla misura e sulla corresponsione dei trattamenti accessori le nostre raccomandazioni sono: – corrispondere i premi di produttività solo a conclusione di un processo di valutazione e controllo delle prestazioni e dei risultati, sia in termini generali che, soprattutto, individuali, nonché in base al livello di effettivo risultato conseguito, che non potrà prescindere da un effettivo incremento della produttività e miglioramento quali-quantitativo delle prestazioni rese dal personale” (Auszug verbale n.46 del 20.11.2020, collegio die revisori die conti)
23.11.2020 – Bekanntgabe des Gutachtens des Teilvertrages
Die vier Schulgewerkschaften wurden von der öffentlichen Delegation über das Gutachten des Teilvertrages durch die Kontrollorgane des Landes informiert. Die oben zitierte Anmerkung veranlasste die öffentliche Delegation dazu, diesen Teilvertrag nicht zur Genehmigung der Landesregierung weiterzuleiten. Die öffentliche Delegation interpretierte die Empfehlung als Verpflichtung, den vorunterzeichneten Teilvertrag radikal zu überarbeiten. Sie beabsichtigten eine Form der Leistungsüberprüfung zu finden, an die die Auszahlung des „una tantum“ geknüpft werden sollte. Andernfalls fänden sie die Auszahlung des „una tantum“ als rechtswidrig. Entsprechend dem Vorschlag der öffentlichen Delegation sollte die Gewährung der Einmalzahlung von der Beurteilung der Schulführungskraft abhängig gemacht werden. Die Erstellung der Kriterien zur Bewertung des Fernunterrichts und zur Messung der erbrachten Mehrleistung stellten eine immense Komplexität dar. Einerseits, da eine Erstellung von Kriterien, welche eine gerechte und objektive Form der Bewertung durch die Schulführungskraft ermöglicht, sehr komplex und im Nachhinein teils als unmöglich erscheint und andererseits der zeitliche Druck, eine tiefgehende Auseinandersetzung mit der Erstellung der Kriterien nicht ermöglichte. Unter zeitlichem Druck standen wir deshalb, da die Genehmigung neuer Vorschläge vonseiten der Landesregierung innerhalb 30. November erfolgen musste, um den Rückfluss der für die Auszahlung des „una tantum“ vorgesehenen Geldmittel in den Landeshaushalt zu vermeiden.
Die von uns vorgebrachten Gegenvorschläge (Inflationsausgleich für die Jahre 2019 und 2020 bzw. eine Entschädigung für die Nutzung der eigenen Computerausrüstung) wurden von der öffentlichen Delegation nur halbherzig angehört und dann abgelehnt.
26.11.2020 – Verhandlung „entweder oder…“
Nach zahlreichen und intensiven Diskussionen mit der öffentlichen Delegation wurde uns am 26.11.2020 folgender Vorschlag als einzige Möglichkeit zur Auszahlung des „una tantum“ vorgelegt:
Die Schulführungskräfte sollen die Lehrpersonen auswählen, denen eine Ausbezahlung des Betrages zustehen würde. Dabei sollte der tatsächlich geleistete Dienst im Fernunterricht während des Lockdowns im Schuljahr 2019/20 und der Mehraufwand in dieser Zeit berücksichtigt werden.
Unser Hinweis auf die Unmöglichkeit der Erstellung von rückwirkend festgelegten objektiven Kriterien zur Bewertung der Qualität des Unterrichts, schlug die öffentliche Delegation vor, die Arbeitsbelastung als ausschlaggebendes Kriterium zur Vergabe oder Nichtvergabe der Einmalzahlung zu verwenden. Auch hier fehlten unserer Meinung nach die ausschlaggebenden Richtlinien, nach welchen die Schulführungskräfte die Arbeitsbelastung der einzelnen Lehrer während der Monate des Lockdowns objektiv messen sollen. Um zu einem Konsens zu gelangen, unterbreiteten die vier Gewerkschaften den Vorschlag, allen Lehrkräften das „una tantum“ zukommen zu lassen, außer jenen, welche z.B. aufgrund einer im Schuljahr 2019/20 verhängten Disziplinarmaßnahme kein Anrecht auf die alljährliche Leistungsprämie haben. Auch dieser Vorschlag wurde abgelehnt.
In der hitzigen Verhandlung wurden von der Gewerkschaftsseite folgende Möglichkeiten vorgeschlagen, um doch noch die Auszahlung der vorgesehenen Geldmittel in die Wege leiten zu können:
- In der Überzeugung, dass die von den Kontrollorganen geäußerte Anmerkung keine Ablehnung bzw. kein negatives Gutachten des Teilvertrages an sich war, sondern vielmehr eine Empfehlung für die Zukunft darstellte, forderten wir die öffentliche Delegation auf, den bereits unterzeichneten Text trotzdem an die Landesregierung weiterzuleiten. Unser Vorschlag war es, den Teilvertrag durch einen Vermerk zu ergänzen, in dem die getroffenen Entscheidungen in Bezug auf die Anerkennung sowohl des Einsatzes eigener technischen Mittel als auch des besonderen Engagements, welches durch den Fernunterricht von allen Lehrern eingefordert wurde, erläutert werden. Dieser Vorschlag wurde von der öffentlichen Delegation zurückgewiesen.
- Die Auszahlung des „una tantum“ sollte sich ausschließlich auf die Bereitstellung der eigenen multimedialen Technik beziehen. Die Form der außerordentlichen Entschädigung für die Nutzung der eigenen technischen Mittel, Anschlüsse und allen damit verbundenen Spesen würde alle Lehrpersonen betreffen. Angesprochen wurde diesbezüglich auch, dass die Lehrpersonen der Provinz Bozen nicht in den Genuss der sogenannten „Carta elettronica“ (Artikel 1, Absatz 121, des Gesetzes 13. Juli 2015, n. 107) kommen. Die öffentliche Delegation verneinte diesen Vorschlag, da sie davon ausging, dass diese Form von Entschädigung bzw. diese Form der Auszahlung des „una tantum“ wiederum von den Kontrollorganen als negativ empfunden werden würde. Sie konnten diese Annahme jedoch nicht mit Fakten belegen.
- Angleichung der IPCA bis zum 31. Dezember 2020. Die Auszahlung dieses Inflationsausgleiches könnte als erster Schritt in Richtung ökonomischer Gleichbehandlung der Lehrpersonen der Schulen staatlicher Art mit jenen der Landesschulen angesehen werden. Auch diese Option wurde abgelehnt, da eine Angleichung der IPCA nicht nur auf ein Jahr im Dreijahreszeitraum (BÜKV 2019-2021) beschränkt sein darf.
Für die öffentliche Delegation galt ihr eigener Vorschlag (Prämie mit Bewertung durch die Schulführungskraft) als einzige Möglichkeit, die vorgesehenen zehn Millionen Euro zeitnah an das Lehrpersonal auszubezahlen. Aus zeitlichen Gründen war es nicht mehr möglich, weitere Alternativen zu erarbeiten und die notwendigen Unterlagen vorzubereiten. Der letzte Termin, um der Landesregierung einen Vertrag vorzulegen, war der 30. November 2020. Laut öffentlicher Delegation hätten sie alles in die Wege geleitet, um ihren (und nur ihren) Vorschlag zeitgerecht in die Landesregierung zu bringen. Wir fanden diese Vorgehensweise nicht korrekt und nicht tragbar! Die Verhandlungen wurden somit abgebrochen. Wir Gewerkschaften bedauern sehr, dass die Lehrpersonen staatlicher Art nun nicht in den Genuss einer finanziellen Entschädigung kommen. Wir bemängeln im Hinblick auf den großen Einsatz, die Flexibilität und den Mehraufwand der Lehrpersonen während der Coronazeit, die fehlende Bereitschaft der öffentlichen Delegation zur Erreichung eines Konsenses.
Nun ist die Politik gefordert
In einem Schreiben an den Landeshauptmann Kompatscher berichteten wir über den unzufriedenstellenden Verlauf der Vertragsverhandlungen und merkten auch an, dass die vorgesehenen Geldmittel (15 Millionen im Jahr 2021, 15 Millionen im Jahr 2022 und 15 Millionen im Jahr 2023) die ökonomische Angleichung der Lehrpersonen staatlicher Art an die Landeslehrpersonen bei weitem nicht ausreichen werden. Dafür erforderlich wären nämlich ca. 80 Millionen Euro. Wir haben bis dato noch keine Stellungnahme erhalten.
Angeführt sei auch, dass die Lehrpersonen des Landes bereits im Rahmen des BÜKV des Dreijahreszeitraumes (2019-21) bereits sämtliche Anpassungen und Entschädigungen erhalten haben. Das Ergebnis ist, dass die Verwirklichung der ökonomischen Gleichstellung aller Lehrpersonen in Südtirol immer weiter in die Ferne rückt.